Über unseren Ort gibt es schon die eine oder andere lustige und bisweilen schräge Geschichte. Eine der absurdesten ist die von dem Hai auf dem Dörpshuus. Sie begann am 15. Juli 1951, als Heiner Wiese, Walter Maaßen und der damalige Gerätewart Jan Jansen auf dem Rückweg von der Kirche noch den Geräteschuppen für die Feuerwehr aufräumen wollten. Sie hatten bereits die Tore geöffnet und bestimmt auch schon den einen oder anderen getrunken, als Heiner Wiese den Hai auf dem angrenzenden Dörpshuus bemerkte. Er hing dort mittig aufgespießt auf dem Pfahl des Wetterhahns. Trotz ihres angeheiterten Zustandes fiel den Männern die Besonderheit der Situation auf. Aber vielleicht wegen des besagten Alkoholeinflusses kam es ihnen nicht in den Sinn, sofort jemanden zu verständigen. Stattdessen bauten sie die Bänke auf, die wir sonst für Dorffeste nutzen, und liefen dann mit der Geschichte zu ihren Frauen und Nachbarn. Bald war das halbe Dorf in Bewegung und fand sich beim Dörpshuus ein. Kinder spielten „Hai“ auf der anliegenden Wiese und umsichtige Frauen hatten ihren Sonntagskuchen mitgebracht. Walter Behnke, unser stellvertretender Wehrleiter, schenkte aus und es entstand eine lustige Feier, auf der sich bald fast das ganze Dorf einfand.
Man spekulierte bei leckerem Apfelkuchen und Bier darüber, um was für einen Hai es sich wohl handelte. Er war zu groß für einen Katzenhai, aber andere Haie gab es in den flacheren Gewässern der Ostsee nicht. Seine gräulich weiße Färbung erinnerte viele Leute mehr an Beschreibungen eines weißen Hais, aber mit seinen rund anderthalb Metern war er dafür viel zu klein. Außerdem gab es hier keine weißen Haie.
Die Frage, wo der Hai nun herkam, wurde bisweilen recht hitzig diskutiert. Einige vermuteten, dass er von einer Windhose erfasst und von der Ostsee her herangetragen wurde. Doch die Ostsee war einige Kilometer entfernt und es gab ansonsten keine Spuren von einem Sturm. Andere vermuteten einen Kinderstreich, doch wo sollten Kinder einen Hai herbekommen. Die Diskussion wurde zu einem hitzigen Streit, als jemand unserem Fischer Anton Bendfeld unterstellte, er hätte den Hai aus Protest über die Seepacht aufgespießt, was dieser entschieden zurückwies. Auch mit dem Hinweis, dass sein Boot im See liegen würde und es dort gar keine Haie gäbe. Bevor der Streit in mehr als eine Rangelei ausbrechen konnte, wurde er jedoch von Oberwachtmeister Peter Fuchs unterbrochen, den man zwischenzeitlich aus dem Nachbarort herbeigeholt hatte. Dieser beschlagnahmte den Hai im Sinne des sonntäglichen Friedens und ordnete sein Entfernen vom Wetterhahn an. Der Hai wurde nach mehreren Versuchen mit vier Leitern und acht Leuten vom Dach geschafft. Er war so schwer, dass man vier Leute brauchte, um ihn überhaupt gut tragen zu können, was in den Augen der meisten Streiter Anton von jeder Schuld befreite. Von da an ging die Feier deutlich friedlicher weiter und man fand immer absurdere Spekulationen. Am Abend gab es dann noch ein Lagerfeuer auf der Wiese mit Tanz und Musik. Das hatte nun gar nichts mehr mit dem Hai zu tun, aber wenn man eine Feier erst einmal begonnen hat, dann sollte man sie auch zu Ende führen.
Der Hai wurde an die Universität gegeben. Dort fand man heraus, dass es sich um einen etwas jüngeren Hundshai handelte, wie er vor der Küste von Helgoland zu finden ist. Wie es ein solcher Hai aber geschafft hatte, sich an unseren Wetterhahn zu pfählen, konnte nie abschließend geklärt werden. Der Wetterhahn selbst war auf jeden Fall von dem Gewicht des Fisches schwer beschädigt und musste ersetzt werden. Dies wurde von dem alten Ulbricht Glötz aus dem Nachbarort erledigt, der auch auf der Feier zugegen war. Es soll festgehalten werden, dass er den Auftrag kostenfrei übernahm, sich aber dafür einen kleinen Spaß erlaubte. Seither ist der Wetterhahn auf unserem Dörpshuus nämlich ein Haifisch.